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Kampfansage an Regierungen: Europaparlament will biometrische Massenüberwachung in Europa verbieten

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Die beiden federführenden Ausschüsse des Europäischen Parlaments haben heute für ein vollständiges Verbot biometrischer Massenüberwachung im öffentlichen Raum in Europa mithilfe der umstrittenen Gesichtserkennungstechnologie gestimmt. Die Entscheidung wurde mit einer deutlichen Mehrheit von 57:36:10 Stimmen getroffen. Die Ausschüsse stimmten auch für ein Verbot von  Gesichtserkennungsdatenbanken wie Clearview AI, von biometrischer Kategorisierung und Emotionserkennung, wie es die Europaabbgeordneten der Piratenpartei und das zivilgesellschaftliche Bündnis “Reclaim Your Face” seit langem gefordert haben. Die Abstimmung im Ausschuss muss nun von allen Abgeordneten in einer Plenarabstimmung bestätigt werden, und das Parlament muss dann eine Einigung mit den nationalen Regierungen erzielen.

Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei und digitaler Freiheitskämpfer, kommentiert:

“Die heutige Abstimmung ist ein historischer Durchbruch für die Bewegung, die eine dystopische Zukunft biometrischer Massenüberwachung in Europa nach chinesischem Vorbild verhindern will. Im Gegensatz zu dem, was manche behaupten, gibt es kein einziges Beispiel dafür, dass biometrische Echtzeit-Überwachung je einen Terroranschlag oder andere Ereignisse dieser Art verhindert hätte. Mit Fehlalarmquoten von bis zu 99 % sind diese Technologien nicht annähernd zuverlässig genug, um von Nutzen zu sein. Der routinemäßige Einsatz solcher Algorithmen würde selbst bei großer Genauigkeit dazu führen, dass die Zahl der Fehlalarme die der richtigen Alarme bei weitem übersteigt. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Verfahrensvorschriften sind ein bloßer Deckmantel für die Massenüberwachung. Darüber hinaus wurde die wahllose Massenverarbeitung personenbezogener Daten vom Europäischen Gerichtshof immer wieder für nichtig erklärt, weil sie nicht mit den Grundrechten vereinbar ist.

Wir kämpfen gegen Gesichtsüberwachung auf unseren Straßen und Plätzen, weil sie fälschlich unzählige Bürger verdächtigt, systematisch unterrepräsentierte Gruppen diskriminiert und eine abschreckende Wirkung auf unsere freie und vielfältige Gesellschaft hat.

Bei der bevorstehenden Plenarabstimmung muss die Liste der Verbote unethischer Technik ergänzt werden um die Überwachung unseres Verhaltens in der Öffentlichkeit, um uns wegen angeblich “abnormaler” Aktivitäten automatisiert anzuschwärzen. Diese Massenüberwachungstechnologie, die die französische Regierung jetzt nach Europa bringen will, schreckt von Protest ab und drängt uns in die passive Konformität, das genaue Gegenteil der offenen Gesellschaft, in der wir leben wollen.”

Die heute beschlossenen Verbote im Wortlaut: https://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/plmrep/COMMITTEES/CJ40/DV/2023/05-11/ConsolidatedCA_IMCOLIBE_AI_ACT_EN.pdf (S. 128 ff.)