KI: EU will biometrische Massenüberwachung im öffentlichen Raum nach Europa bringen
Anlässlich des heutigen KI-Digitalgipfels weist der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer darauf hin, dass das geplante KI-Gesetz der EU den Weg für die Einführung biometrischer Massenüberwachung in Europa freizumachen droht. Nach einem Vorschlag der Verhandlungsführer von Parlament und Rat soll Echtzeit-Gesichtserkennung mit richterlicher Anordnung zum Schutz gefährdeter Personen, zur Verhinderung von Terroranschlägen und zur Suche nach Verdächtigen schwerer Straftaten zugelassen werden, wenn ein EU-Mitgliedsstaat dies beschließt. Bereits am 6. Dezember könnten die Verhandlungen zum KI-Gesetz abgeschlossen werden. Der Ampel-Koalitionsvertrag lehnt biometrische Massenüberwachung ab, doch die Position der Bundesregierung zu den gegenteiligen EU-Plänen ist unbekannt.
Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer verurteilt das Vorhaben:
“EU-Regierungen träumen, dass Maschinen die Welt von allem Bösen befreien könnten, wenn sie uns nur zuflüstern könnten, wer wann mit wem wohin geht. In der Realität wurde mit biometrischer Massenüberwachung noch kein einziger Terrorist gefunden, kein einziger Anschlag verhindert, stattdessen unzählige Festnahmen Unschuldiger, bis zu 99% Falschverdächtigungen. Die vermeintlichen Ausnahmen sind Augenwischerei – ständig sind doch Tausende durch Richterbeschluss gesucht. Die Pläne öffnen die Büchse der Pandora und führen Europa in eine dystopische Zukunft eines misstrauischen High-Tech-Überwachungsstaats nach chinesischem Vorbild. Sie geben autoritären Regierungen der Gegenwart und der Zukunft eine nie dagewesene Unterdrückungswaffe in die Hand. Unter ständiger Überwachung sind wir nicht mehr frei! Wir dürfen keine Kultur des Misstrauens normalisieren.
Mit Fehlerquoten (Falschmeldungen) von bis zu 99 % hat die ineffektive Gesichtsüberwachungstechnologie keine Ähnlichkeit mit der gezielten Suche, als die Regierungen sie darzustellen versuchen.
Technologien zur biometrischen Massenüberwachung unserer öffentlicher Räume erfassen zu Unrecht eine große Zahl unschuldiger Bürger:innen, diskriminieren systematisch unterrepräsentierte Gruppen und haben eine abschreckende Wirkung auf eine freie und vielfältige Gesellschaft.
Gesetze, die verdachtslose Massenüberwachung erlauben, wurden von den Gerichten immer wieder wegen ihrer Unvereinbarkeit mit den Grundrechten für nichtig erklärt. Wir müssen für eine Gesellschaft des Vertrauens und der Grundrechte eintreten, nicht für eine Gesellschaft des Misstrauens und der Spaltung. Massenüberwachung hat keinen Platz in unserer Gesellschaft. Falls das KI-Gesetz wie geplant kommt, erwarte ich von der Bundesregierung, gegen die Gestattung biometrischer Massenüberwachung vor den EuGH zu ziehen!”
Laut einer repräsentativen Umfrage, die von YouGov in 10 EU-Ländern durchgeführt wurde, lehnt eine deutliche Mehrheit der Europäer:innen biometrische Massenüberwachung im öffentlichen Raum ab.
Der Europäische Datenschutzausschuss und der Europäische Datenschutzbeauftragte haben ein “generelles Verbot des Einsatzes von KI zur automatischen Erkennung menschlicher Merkmale in öffentlich zugänglichen Räumen” gefordert, da dies “direkte negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Freizügigkeit” habe.
Mehr als 200 zivilgesellschaftliche Organisationen, Aktivisten, Technikspezialisten und andere Experten auf der ganzen Welt setzen sich für ein weltweites Verbot biometrischer Erkennungstechnologien ein, die eine massenhafte und diskriminierende Überwachung ermöglichen. Sie argumentieren, dass “diese Instrumente die Fähigkeit haben, Menschen zu identifizieren, zu verfolgen, auszusondern und zu verfolgen, wo immer sie sich aufhalten, und damit unsere Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten untergraben”.
Auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte spricht sich gegen den Einsatz biometrischer Fernerkennungssysteme im öffentlichen Raum aus und verweist auf die “mangelnde Einhaltung von Datenschutzstandards”, “erhebliche Probleme mit der Genauigkeit” und “diskriminierende Auswirkungen”.
Das Europäische Parlament hat sich im vergangenen Jahr noch für ein Verbot ausgesprochen.