Rechnungshöfe: Effizienzvorteile privatisierten Infrastrukturbaus (ÖPP) oft nicht nachgewiesen
In einem gemeinsamen Erfahrungsbericht kritisieren die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder die Praxis, öffentliche Infrastruktur zunehmend privat ausbauen oder betreiben zu lassen:
- Projekte, die sich die öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, werden einfach durch Private realisiert. Dabei fallen letztlich dieselben Kosten (z.B. Einnahmeausfälle aus Maut) an. Weil Schulden aus ÖPP-Verträgen nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden, kann sie durch ÖPP umgangen werden. Sogar wenn das ÖPP-Modell viel teurer ist, wird es gewählt, weil die Schuldenbremse die günstigere Staatsfinanzierung (aus guten Gründen) begrenzt. Als Ausweg fordern die Rechnungshöfe, die für ÖPP-Vorhaben zu zahlenden Entgelte bei der jährlichen Ermittlung der Kreditverpflichtungen zu berücksichtigen.
- Oft wird die Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten über die gesamte Laufzeit hinweg nicht nachgewiesen. Bei ihren Untersuchungen deckten die Rechnungshöfe in vielen Fällen methodische oder rechnerische Fehler in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf. Die Rechnungshöfe stellten fest, dass die Effizienzvorteile der ÖPP-Varianten häufig zu hoch ermittelt oder nicht schlüssig nachgewiesen werden.
Die Rechnungshöfe lehnen Privatpartnerschaften im Ergebnis zwar nicht generell ab. Sie fordern aber, „dass die Vorteilhaftigkeit dieser Beschaffungsvariante gegenüber der Eigenbesorgung der öffentlichen Hand in jedem Einzelfall objektiv und transparent nachgewiesen wird“. Die Vorteilhaftigkeit darf sich nicht darauf beschränken, dass mit solchen Projekten die Schuldenbremse umgangen werden kann.
Aus den Schlussfolgerungen der Rechnungshöfe im Einzelnen:
- Projekte, die sich die öffentliche Hand aus eigenen Mitteln nicht leisten kann, darf sie sich ebenso wenig alternativ finanziert in einer ÖPP leisten.
- ÖPP-Projekte dürfen nicht zu einer Umgehung von Neuverschuldungsverboten führen; konsumtive Bestandteile des Leistungsentgelts müssen deutlich erkennbar und nachvollziehbar ausgewiesen werden.
- ÖPP-Projekte sind während ihrer gesamten Vertragslaufzeit im Haushalt vollständig darzustellen. Die Belastung künftiger Haushalte muss klar erkennbar sein.
- Die Entscheidung, ob eine Realisierung als ÖPP-Projekt oder in herkömmlicher Form erfolgen soll, muss solange wie möglich offenbleiben.
- Die Auswahl der externen Berater ist dem Wettbewerb zu unterstellen. Nur dadurch ist eine hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit der eingekauften Leistungen zu sichern. Offensichtlich unauskömmliche „Lockangebote“ für die ersten Stufen der Beratungsleistungen sollten von einer Vergabe ausgeschlossen werden. Die mit Hilfe von nachvollziehbaren und eindeutigen Kriterien vorzunehmende Auswahl eines leistungsfähigen Büros ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine unabhängige Beratung. Zur Bewertung der Ergebnisse der Beratungsleistungen sollte der in den verschiedenen Bereichen der Verwaltung vorgehaltene Sachverstand eingebunden werden (kein blindes Vertrauen in externe Berater).
- Die Bewertungskriterien sind mit der Aufstellung der Machbarkeitsstudie frühzeitig festzulegen und bis zum abschließenden Wirtschaftlichkeitsvergleich für beide Beschaffungsvarianten (Gegenüberstellung von ÖPP und PSC) einheitlich anzuwenden.
Bewirtschaftung und Betrieb bis zu 30 Jahre an einen privaten Partner zu vergeben hat zur Folge, dass diese Dienstleistungen dem Wettbewerb langfristig entzogen werden. Die direkte Auftragsvergabe des öffentlichen Auftraggebers an meist mittelständische Firmen fällt damit weg. Dies halten die Rechnungshöfe für kritisch. Die öffentliche Hand profitiert schneller von aktuellen Marktpreisen und Innovationen rund um die Bewirtschaftung und den Betrieb, wenn diese Leistungen periodisch dem Wettbewerb unterstellt werden. Der Lebenszyklusansatz wird dadurch nicht behindert. - Die Erfahrungen der Rechnungshöfe zeigen, dass beim Wirtschaftlichkeitsvergleich vorrangig die Eigenbauvariante mit hohen Risikokosten belegt wird. Die monetäre Bewertung der Risiken wird somit zur Stellschraube im Wirtschaftlichkeitsvergleich von konventioneller Beschaffungs- und ÖPP-Variante.
Wir Piraten in Schleswig-Holstein sind von der Wirtschaftlichkeit öffentlich-privater Partnerschaften bei der Realisierung öffentlicher Bauvorhaben nicht überzeugt und lehnen sie daher ab.
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